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Aktuelles

02.03.2016 | Bildung

Gute Bildung - Auf den Start kommt es an!

Antrag zur Bundeskonferenz der Arbeitsgemeinschaft für Bildung (AfB) 2016

Hier auch als pdf abrufbar

1. Herausforderungen

Bildung ist nicht nur der Schlüssel zu einem aktiven und selbstbestimmten Leben und zur Teilhabe an der Gesellschaft - Bildung ist zugleich einer der wichtigsten Faktoren in modernen Gesellschaften. Diese Binsenweisheit ist längst allgemein anerkannt, wie inzwischen auch in Deutschland, ausgelöst durch den PISA-Schock, die untermauerte Überzeugung, dass hierbei die Bildung in den frühen Jahren eine Schlüsselfunktion hat. Die AfB hat hierauf schon spätestens 2004 mit ihrem Grundsatzbeschluss "Bildung in Deutschland. Reformieren und investieren statt reparieren" in Bündelung vieler Einzelbeschlüsse aus 2002 reagiert. Die Situation heute ist längst nicht befriedigend: Kindertageseinrichtungen und Schulen sind nach wie vor nicht nur getrennte Institutionen, sondern sind nach wir vor wenig vernetzt und nach wie vor in ihrer Bildungsauffassung nicht kompatibel. Im vorschulischen Bereich stehen nach wie vor nicht für alle Kinder Plätze in Einrichtungen zur Verfügung. Die Betreuungsrelationen im frühkindlichen Bereich müssen trotz vieler Fortschritte immer noch als nicht ausreichend angesehen werden. Frühe Bildung kann noch viel weniger als schulische Bildung isoliert von der Familie gesehen werden. Hochsensible frühkindliche Bildungsphasen liegen vor und wenige Jahre nach der Geburt und benötigen zu ihrer optimalen Nutzung eine ganzheitlichen Lebenswelt, wie sie im Grunde nur die Familie und Einrichtungen in enger pädagogischer Zusammenarbeit und Kombination bieten können.

Wir können somit für die frühe Bildung, unter der wir für die Bildung von der Geburt bis zum Ende der Primarstufe verstehen wollen, zumindest die folgenden Problemlagen festhalten:

  • Fehlende Kapazitäten im vorschulischen Bereich
  • Teilweise kostenpflichtige frühe Bildung im vorschulischen Bereich und am Nachmittag
  • Unzureichende quantitative und qualitative personelle Ausstattung
  • Divergierende pädagogische Konzepte, die zu frühen Brüchen in Bildungsbiografien führen und sich zu wenig an der Entwicklung der Kinder orientieren
  • Unzureichende Vernetzung von Familie und Bildungseinrichtungen
  • Bildung wird nicht aus einem Guss ab der Geburt gedacht

Gerade die letzten beiden Punkte sind nicht trivial. Sicher sind die überaus meisten Eltern an einem glücklichen und erfolgreichen Lebensweg ihrer Kinder interessiert. Aber bei weitem nicht wenige sind mit der praktischen Gestaltung gerade der wichtigen frühen Jahre zumindest teilweise auch überfordert. Bildungseinrichtungen, die ihre Arbeit allein auf die Ihnen anvertrauten Kinder konzentrieren, werden ihn nicht gut erfüllen können. Familien müssen kompetent und wertschätzend eingebunden werden. Echte Bildungspartnerschaft zwischen den Einrichtungen (Krippe/Tagespflege, Kindergarten, Grundschule und Hort) und der Familie stellt die Einrichtungen vor neue Anforderungen, auf die sie derzeit quantitativ und qualitativ nicht ausreichend vorbereitet sind. Die längst überfällige Festschreibung von Kinderrechten im Grundgesetz kann diesen Prozess mit der richtigen Fokussierung auf die Kinder unterstützen. Tatsächlich umgesetzt kann eine solche Verfassungsänderung aber nur werden, wenn die Einrichtungen vernetzt mit anderen bestehenden Unterstützungssystemen (z. B. Jugend- und Sozialhilfe) vor Ort die Kapazitäten, Zuständigkeiten und Motivation haben, mit Eltern zu arbeiten, wenn die Eltern die Möglichkeit und kompetente Unterstützung haben, in den Einrichtungen Einfluss auf die Gestaltung von Entwicklungs- und Lernprozessen erhalten, wenn die Zusammenarbeit mit den Eltern trotz ganz unterschiedlicher Kompetenzen auf gleicher Augenhöhe und achtungsvoll erfolgt. Das erfordert mehr und andere personelle Ressourcen in den Einrichtungen - etwa in Kooperation oder Integration von Unterstützungsleistungen, die derzeit häufig von dritter Seite erfolgen. Gerade die Veränderungen in Finnland in den letzten 50 Jahren zeigen überzeugend, welche positiven Effekte durch eine Bündelung von Verantwortung und Ressourcen im frühkindlichen Bereich mittelfristig eintreten.

2. Frühkindliche Bildung

Qualitätsentwicklung in Kindertagesstätten, einschließlich Krippen, und Kindertagespflege ist die Herausforderung des nächsten Jahrzehnts.

Das frühkindliche Bildungssystem ist im Umbruch: Im Zuge der Umsetzung des Rechtsanspruchs jedes Kindes auf einen Krippenplatz nach §24 SGB 8 und des rasanten quantitativen Ausbaus der Kindertagesbetreuung im U3 Bereich rückt die Qualitätsentwicklung von guter familienergänzender Erziehung, Bildung und Betreuung in Kita und Krippe jetzt in den Fokus.

Kindertagesstätten als anerkannte außerfamiliäre Orte der Bildung, Erziehung und Betreuung brauchen verbindliche Qualitätsstandards und Rahmenbedingungen für alle Kinder im Alter von 0 bis 6 Jahren. Diese müssen inklusionsorientiert in die Grundschule hinein weitergeführt werden. Dies sieht die AfB als eine der zentralen gesamtgesellschaftlichen Aufgaben der nächsten Jahre.

Notwendig ist ein bedarfsgerechtes Angebot, das sich unter Beachtung des Kindeswohls und einer entwicklungsangemessenen frühen Förderung an der Vereinbarkeit von Familie und Beruf orientiert, allen Kindern chancengleiche Teilhabe mit Blick auf ein inklusives Bildungssystem ermöglicht, Eltern und Familien in ihrem Bildungs- und Erziehungsauftrag stärkt.

Zentrale Forderungen sind dabei:

  • das Recht jedes Kindes auf angemessene Bildung und Erziehung sicherzustellen und einen frühen Einstieg in die Kita zu ermöglichen. Gute Bildung ist Kinderrecht, alle Kinder brauchen entwicklungsorientiert einen guten Bildungsstart
  • jedem Kind höchstmögliche pädagogische Qualität anzubieten
  • die Fachkräfte mit optimalen Rahmenbedingungen zu unterstützen
  • verlässliche strukturelle Standards festzulegen, die pädagogische Qualität ermöglichen (besonders im Krippenbereich)
  • einen konsequenten und bedarfsorientierten Ausbau von Kitas insbesondere Krippen voranzubringen, der auf strukturellen und pädagogischen Qualitätsstandards fußt und die Kita als Lernort stärkt
  • Qualitätsanforderungen in den Bildungsprogrammen der Länder zur frühkindlichen Bildung mit aktuellen Bildungs-, Erfahrungs- und Kompetenzbereichen einschließlich Praxisempfehlungen festzuschreiben und somit den Bildungsauftrag der Kindertagesstätten zu fundamentieren.

Beste Bildung von Anfang heißt für die AfB:

  • Frühstart

Gute Bildung beginnt in der Krippe/Tagespflege und stellt die Weichen für die weitere Entwicklung.

  • Chancengerechtigkeit und Bildungsbeteiligung

Kitas sind ein besonders guter Weg, um Kinder aus bildungsbenachteiligten Milieus und mit Migrations-/Transferhintergrund über Spiel- und Bildungsangebote zu fördern und mitzunehmen, Kindeswohl zu gewährleisten, familienorientierte Armutsprävention und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf nach vorne zu bringen.

  • Diversität und Heterogenität

Gemeinsam Lernen und Spielen in der Kita ist Alltag: die AfB unterstützt vorrangig den Ausbau und die Entwicklung der Kitas zu vorbildlichen inklusiven Bildungseinrichtungen.

  • Inklusive Kita braucht PartnerInnen

Anzustreben ist eine aktive Bildungspartnerschaft mit Eltern sowie weiteren am Kind orientierten Unterstützungs- und Hilfeangeboten und die Kooperation mit multiprofessionellen Teams und Netzwerken am Lernort Kita und in der Region.

  • Klare Rahmenbedingungen für Fachkräfte schaffen Verlässlichkeit
    Zeit, personelle und finanzielle Ressourcen, bessere Entlohnung, Qualität der Personalisierung, Aus-und Weiterbildung sowie zusätzliche Bildungsangebote auf der Basis aktueller wissenschaftlicher und in der Praxis erforschte Erkenntnisse sind zentrale Baustellen und Messlatte der Professionalität.
  • Im Mittelpunkt steht das Kind

Jedes Kind ist einzigartig mit seiner Entwicklungsbiographie, individuellen Talenten und Fähigkeiten. Es ist neugierig, begeisterungsfähig und lernfreudig. Kinder sind Akteure ihrer eigenen Entwicklung. Die PädagogInnen begleiten sie dabei mit angemessenen Angeboten und Anforderungen.

Qualitätsentwicklung in der Kita ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe: Bund, Länder, Kommunen und Träger, Eltern und pädagogische Fachkräfte, Ausbildungs- und Weiterbildungsstätten stehen in gemeinsamer Verantwortung. Hierfür müssen wir weiter an den Grundlagen arbeiten:

Die Standards

In der Diskussion um die Einführung eines Bundesqualitätsgesetzes und partiell auch in einem gemeinsamen Kommuniqué der Länder und zuständigen Bundesministerien geht es aktuell um die Festlegung struktureller, von den Trägern umzusetzenden Standards, die pädagogische Qualität erst ermöglichen. Hierzu gehören die Freistellungen von Kita-Leitungen, die Neuberechnung der Fachkräfte-Kind-Relation, die Frage der Altersmischung, die mittelbare pädagogische Arbeitszeit, die Anpassung der auffälligen regionalen und kommunalen Unterschiede in der Bereitstellung und der (zeitlichen) Ausgestaltung der Angebote, das Thema Fachberatung, Finanzierung und Recht sowie die Ausbildung von Fachkräften.

Die AfB fordert eine Ausgewogenheit von strukturellen und pädagogischen Qualitätsstandards:

I.) Verlässliche strukturelle Qualitätsstandards

Die pädagogische Qualitätsentwicklung in den Kindertageseinrichtungen ist grundlegend abhängig von strukturellen Rahmenbedingungen. Notwendig ist ein Maßnahmenbündel, das die Qualität, Attraktivität und gesellschaftliche Anerkennung erziehungs- und sozialpädagogischer Berufe in der frühkindlichen Bildung stärkt und eine aktive Professionalisierung (d.h. Fachkräfteausbildung, Fachkräftegewinnung und Fachkräftesicherung) ermöglicht.

Unabdingbar hierfür sind:

• eine qualifizierte Fachkräfteausbildung für Kita, insbesondere Krippe, sowie Kindertagespflege, die den Anforderungen an eine ausgleichende frühe Bildung gerecht wird.

• die Option zum (Fach-)Hochschulabschluss für Kita-Leitungen bei Berufseinstieg oder zur entsprechenden Weiterqualifizierung während der Berufslaufbahn auf ähnlichem Niveau

• eine Vollzeitquotenerhöhung, Neuregelung der Arbeitszeit und Strategien der Fachkräftegewinnung

Der ErzieherInnenberuf ist im Wandel

ErzieherInnen sind die "Bildungsexperten der ersten Jahre". Im Rahmen der Aufwertung der Kita als Bildungsinstitution gilt es, den Beruf der Erzieherin als Basis des Bildungssystems neu auszuhandeln und umzugestalten. Ziel ist es, mehr Zufriedenheit der Fachkräfte in ihrem Beruf zu erreichen und mehr Zeit für die Bildung der Kinder zu haben, aber auch Selbstbildungsprozesse zu erleichtern und über vereinheitlichte Standards und Aufgaben Transparenz zu schaffen.

Die Bewertung und Bezahlung der Arbeitszeit müssen der anspruchsvollen Tätigkeit angepasst werden. Höhere Abschlüsse, Anforderungen und Tätigkeitsprofile brauchen an eine höhere Vergütung.

Qualifizierte ErzieherInnen brauchen eine qualifizierte Ausbildung

Die sich verändernden Anforderungen an den Beruf der Erzieherin sind in der Aus- und Weiterbildung zu berücksichtigten und als bundeseinheitliche Regelungen in einem Bundesqualitätsgesetz zu verankern. Die AfB fordert im Schulterschluss mit den Gewerkschaften Verdi und GEW ein bundesweit über Bundesgesetz einheitlich geregeltes und aufeinander abgestimmtes hochwertiges Ausbildungs- und Weiterbildungssystem für alle Erzieher/innen und Kita-Leitungen. Dies muss einheitliche Regelungen bezüglich bundesweiter Anerkennung und Gleichwertigkeit der Ausbildung über Berufsschulen/duale Ausbildung, Fachschulen und Studiengänge, der entsprechenden Abschlüsse, Vergütung und Tarife, aber auch eine Vereinheitlichung der Berufsbezeichnung und die Regelung des Kompetenz- und Tätigkeitsprofils der pädagogischen Fachkräfte beinhalten.

Die AfB setzt sich für Weiterbildungsangebote auch an Hochschulen oder vergleichbaren Einrichtungen ein. Die duale Ausbildung ist der Königsweg der beruflichen Bildung und ein Exportschlager. Die AfB will endlich auch für SuE-Berufe eine duale Ausbildung mit vertraglich geregelter Ausbildungs- und Praktikumsvergütung über dem Mindestlohn. Im Sinne der Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Ausbildung lehnt die AfB eine ausschließliche Akademisierung der ErzieherInnenausbildung ab, vielmehr Bedarf es einer Neuordnung und Neuformulierung der Organisation und Aufgaben in Kitas mit Anpassung der Berufsbezeichnungen und Zuordnung der angemessenen Ausbildung bzw. Qualifikationen.

Zusammenarbeit mit Partnern vor Ort

Im Sinne der Inklusion lebt eine gute Kita von der Zusammenarbeit als und mit multiprofessionellen Teams in der Kita und Partnern des regionalen Umfeldes. Eine intensivere Kooperation der Kitas, FachberaterInnen, Träger und Vernetzung mit anderen Institutionen (Fachschulen, Jugendämter, Sozialpädagogischen Diensten, Trägerverbänden) ist für die Qualitätssteigerung des Bildungsstandortes Kita dringend notwendig. Durchlässigkeit muss für alle möglich sein, als offenes Ausbildungssystem mit befähigungs- und spezialisierungsabhängigen gestaffelten Optionen.

Qualitativ-inhaltliche Weiterentwicklung der Aus- und Fortbildungsangebote

Als Garant für ein hohes Qualitätsniveau in der Kita und in der Umsetzung aktuellster Entwicklungen und Bildungspläne insbesondere für die Arbeit mit Kindern unter 3 Jahren (U3) ist eine Bündelung, Fokussierung und qualitative Weiterentwicklung der Fort- und Weiterbildungsangebote anzustreben, die folgende inhaltliche Schwerpunkte berücksichtigt:

  • Inklusion von allen Kindern aus unterschiedlichen Lebenslagen
  • Krippenpädagogik und Entwicklungsdiagnostik
  • alltagsintegrierte Sprachbildung, Mehrsprachigkeit und interkulturelle Pädagogik
  • Bildungspartnerschaft mit Familien: Zusammenarbeit, Dialog und Partizipation mit Eltern und Entwicklung von Familienzentren/Eltern-Kind-Zentren
  • Nutzung präventiver Hilfen und kooperativer Unterstützungssysteme im Sozialraum
  • Gestaltung von Übergängen Familie-Krippe-Kita-Grundschule/Primarstufe
  • gesunde Ernährung
  • Grundlagen zu Belastungen des Kindes (Traumata, prekäre Situationen, Kindeswohlgefährdung etc.)
  • Management, Vernetzung, Kooperation und Partizipation sowie

Arbeit in multiprofessionellen Teams.

  • Umgang mit Traumata
  • interkulturelle Pädagogik und Kompetenzen im multikulturellen Zusammenleben

Multiprofessionelle Kita-Teams

Die inklusive Ausrichtung und Multiprofessionalität in Kita-Teams mit übergreifendem Fachwissen muss Standard in allen Einrichtungen werden. Gemischte Teams aus Fachkräften (ErzieherInnen), Tagespflege, Fach- und Führungskräften mit Hochschulabschluss (B.A., M.A.) und KollegInnen aus vielfältigen Berufen einschließlich staatlich anerkannter heilpädagogischer und sozialpädagogischer Fachkräfte und der Tagespflege sind im Personalschlüssel zu berücksichtigen. Bildungspaten (ehrenamtliche Helfer wie z.B. Vorlese- oder Sprachpaten), angeleitete Praktikanten und Eltern werden als BildungspartnerInnen zu KooperationspartnerInnen des Kita-Teams. Mit Blick auf die Bewältigung des Fachkräftemangels sind SeiteneinsteigerInnen mit hoher fachlicher Qualifikation aus anderen Professionen zu berücksichtigen.

Bessere Rahmenbedingungen für Fachkräfte

Personalschlüssel, Gruppengröße, Arbeitszeit und Vergütung gehören zu den wichtigsten Faktoren einer gesundheitsfördernden und qualitätssichernden Personalpolitik. Dem feststellbaren Zuwachs an Anforderungen sind die organisatorischen und ressourcenbezogenen Rahmenbedingungen bisher nicht angemessen gefolgt. Auch die gesellschaftliche Anerkennung der Arbeit der PädagogInnen steht mit diesem faktischen Bedeutungszuwachs und den gestiegenen Erwartungen an die Kindertagesbetreuung nicht immer im Einklang.

Die AfB fordert deshalb in eine zügige Neuregelung mit besonderem Fokus auf:

  • Fachkraft-Kind-Relation und Altersstaffelung (Gruppengrößen)
  • mittelbare pädagogische Arbeitszeit
  • Leitungsfreistellung für Kindertageseinrichtungen
  • gesicherte Personalisierung: Vollzeitbeschäftigung zu einer angemessenen Vergütung, Fachkräftegewinnung

Die Festlegung dieser Standards ist bundeseinheitlich im Rahmen eines Bundes-Kita-Gesetzes zu regeln.

Neufestlegung der Fachkraft-Kind-Relation und Altersmischung

Gute Beziehungen, Präsenz und feste Bindungen von der Fachkraft zum Kind und den Eltern machen Altersmischung, gelingende Bildungs- und Erziehungsprozesse und inklusives Arbeiten in der Kita erst möglich. Notwendig ist eine Fachkraft-Kind-Relation für Kinder mit altersspezifischen Sollgrößen:

  • 0 bis 1 Jahr = 1:2
  • 1 bis 3 Jahre = 1:3
  • 3 bis 5 Jahre = 1:8
  • ab 6 Jahre = 1:10

Die Gruppenstärke sollte insbesondere bei altersgemischten Gruppen eine Soll-Größe von 15 Kindern nicht überschreiten, davon nicht mehr als 5 Kinder unter 3 Jahren.

Die AfB schließt sich den Forderungen der Bundesverbände von GEW, Verdi und Arbeiterwohlfahrt an und plädiert für eine gesetzliche Festschreibung in einem Bundes- Kita-Gesetz und Bundesqualitätsgesetz.

Neubewertung der Arbeitszeit

Kindertageseinrichtungen müssen professionell geleitet werden. Dafür wird eine verbindliche Freistellung und/oder Zuteilung eines Zeitbudgets für die Kita-Leitungen notwendig, die auf Sockelbudget unter Berücksichtigung der Zahl der Kinder, MitarbeiterInnen und besonderer Gewichtungsfaktoren berechnet werden.

Fachkräfte brauchen Freiräume: Für MitarbeiterInnen sind mindestens 25% der Arbeitszeit als mittelbare Arbeitszeit personalwirksam in die Fachkraft-Kind-Relation einzurechnen, insbesondere für Vor- und Nachbereitung inhaltlicher Entwicklungen, Dokumentation und die Zusammenarbeit mit Eltern und Betreuung von PraktikantInnen, Freiraum für Fortbildungen und Weiterqualifizierungen.

Personalentwicklung im Rahmen des Kita-Qualitätsmanagements

Gute Personalentwicklung braucht eine gesicherte Personalausstattung, verlässliche Vertretungsregelungen, unbefristete Arbeitsverträge sowie die Möglichkeit zur Erhöhung der Zahl der Fortbildungstage. Im Sinne von Chancengleichheit, pädagogischer Qualitätssteigerung und verlässlicher Betreuung setzt sich die AfB für eine Erhöhung der Vollzeitbeschäftigung in Kindertageseinrichtungen ein. Anzustreben ist eine Personalausstattungsquote von 120% und eine priorisierte Anstellung der Fachkräfte im Vollzeitbeschäftigungsverhältnis. Gleichzeitig wird die Entwicklung von neuen Arbeitszeitmodellen in den Blick zu nehmen sein, die den oft divergierenden Bedürfnissen von Personal, Eltern und Kindern gleichermaßen ausgewogen entgegenkommen und neben den regionalen Betreuungsbedarfen die kindlichen Betreuungsbedürfnisse wie stabile Bindungen und Bezugspersonen besonders berücksichtigen. Hier sind die Träger aufgefordert, Modelle der arbeitnehmerbegünstigenden Arbeitszeitflexibilisierung zu entwickeln, bisherige Finanzierungsstrukturen, tarifliche oder trägerspezifische Arbeitszeitregelungen und Organisationsmodelle auf den Prüfstand zu stellen.

Verbesserung der Vergütungsstruktur

Arbeitslohn muss zum Leben reichen; Arbeit mit Kindern und Jugendlichen ist wertvoll; gute Bildung, Erziehung und Betreuung hat ihren Preis. Die bisher unangemessene Bezahlung entspricht einer unangemessenen Wertschätzung.

Die AfB lehnt eine Niedriglohnpolitik im frühkindlichen Bildungsbereich ab. Die Bewertung und Bezahlung der Arbeitszeit müssen der anspruchsvollen Tätigkeit angepasst werden. Höhere Abschlüsse, Anforderungen und Tätigkeitsprofile müssen an eine höhere Vergütung und eine bessere Eingruppierung im Sozial- und Erziehungsdienst gekoppelt werden. Bei gleicher Ausbildung ist ein gleicher Lohn zu zahlen. Die AfB fordert eine tariflich bezahlte Ausbildung, ein beitragsfreies Studium und eine leistungsbezogene und trägerunabhängige Gehaltsanpassung an ein bundesweit einheitliches tarifliches Lohnniveau. Für mehr Betreuungsleistung (z.B. in sozialen Brennpunkten) muss mehr Personal bereitgestellt werden. In Bezug auf die späten Erwerbsphasen und den Ruhestand sind Instrumente wie die Einführung von Lebensarbeitszeitkonten und Formen betrieblicher Altersversorgung zu prüfen.

Fachkräftegewinnung

Im Zuge des Krippenausbaus wurden die Fachkräfteengpässe noch deutlicher. Darum ist es nötig, vorhandene Ressourcen und Ausbildungsmöglichkeiten zu nutzen, neue zu schaffen und den Arbeitsmarkt Kita für berufliche Quereinsteiger zu öffnen.

Die AfB fordert schwerpunktorientiert folgende Prioritäten zügig umzusetzen:

  • Ausbau der Ausbildungskapazitäten an Berufsschulen, Fachschulen, Fachhochschulen und Hochschulen
  • Rückgewinnung von Fach- und Assistenzkräften, die ihre Erwerbstätigkeit unterbrochen oder beendet haben
  • Stundenzahlerhöhung bei Teilzeit-Beschäftigten
  • Höherqualifizierung von KinderpflegerInnen und SozialassistentInnen
  • Anerkennung von im Ausland erworbenen Ausbildungsabschlüssen
  • Gewinnung von Personen aus berufsfeldaffinen Berufen
  • Anerkennung von KindheitspädagogInnen als Fachkräfte
  • Verstärkung von vollzeitschulischen und betrieblichen Umschulungen
  • Zulassung von Fachschulen/Fachakademien für Sozialpädagogik nach

§§ 176ff SGB III und deren Bildungsgänge als Maßnahmen beruflicher Weiterbildung

  • eine bundesgesetzliche Verankerung des Anspruchs von Kindertages-

einrichtungen auf Fachberatung und verlässliche Finanzierung der

Fachberatung als Unterstützungssystem

  • die Erhöhung der Fortbildungstage auf bis zu 10 Tage pro Jahr

Der quantitative Krippenausbau

Gerade beim Ausbau des Platzangebotes für die unter 3-Jährigen ist darauf zu achten, mehr Kindern den Zugang zu den Angeboten frühkindlicher Bildung zu ermöglichen und so ihre Abhängigkeit von der sozialen Lage der Eltern zu verringern. Wo das Angebot an öffentlicher frühkindlicher Förderung nicht ausreicht und zudem die Kosten für einen Krippenplatz steigen, verringern sich die Chancen von benachteiligten Kindern auf Bildung und Teilhabe. Sozial begünstigte Eltern können das vorhandene Angebot wahrnehmen, andere nicht. Aktuelle Bedarfsermittlungen und lange Wartelisten zeigen, dass der Bedarf in vielen Kommunen höher ausfällt als abgedeckt wird und gleichzeitig die Kita-Kosten steigen.

Die AfB fordert:

• Die Sicherung eines nachhaltigen und bedarfsgerechteren Krippenausbaus der der tatsächlichen Nachfrage an frühkindlicher Bildung entspricht.

• Die Ermöglichung der Nutzung durch Kinder, die aufgrund ihrer familiären Situation benachteiligt sind, um so ihre Bildungschancen zu erhöhen.

• Den Ausbau der Ganztagesplätze für alle Kita-Kinder mit dem Ziel der Verbesserung der Bildungschancen und der Stärkung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

II.) Verlässliche pädagogische Qualitätsstandards

Alle Kinder haben ein Recht auf gleiche Entwicklungs- und Bildungschancen. Um Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichheit für alle Kinder zu gewährleisten, müssen bundesweit einheitliche Qualitätsstandards für Erziehung, Bildung und Betreuung entwickelt und verbindlich festgelegt werden.

Trotz des Anstiegs der Bildungsbeteiligung (Bundesbildungsbericht 2014) werden bis zu 30% der Kinder mit Migrationshintergrund, Flüchtlingsgeschichte oder aus bildungsfernen Milieus in ihren Familien nicht ausreichend gefördert und auch über Kita, insbesondere Krippen, nicht erreicht. Unterschiede in Sprachkompetenz und allgemeiner Entwicklung wirken sich bereits im Krippenalter aus und sind bis zur Einschulung nicht ausgleichbar.

Hier muss bundesweit durch die Verbesserung von Qualitätsstandards und Ressourcen reagiert werden. Dazu gehört ein klares Bekenntnis zur Bedeutung von früher Bildung und demzufolge eine Aufwertung der frühkindlichen Einrichtungen als Bildungs- und Erziehungseinrichtungen mit einem entsprechenden Rahmenbildungs- und -erziehungsplan.

Die AfB will die Entwicklung der Kitas zu inklusiven Kindertagesstätten voranbringen und den Bildungsauftrag der Kindertagesstätten fundamentieren. Aktuelle Qualitätsanforderungen und neue Themenbereiche der frühkindlichen Bildung sollen in den Bildungsprogrammen der Länder zur frühkindlichen Bildung aufgenommen und verankert werden. Hierzu zählen insbesondere die Felder:

  • inklusive Pädagogik
  • Krippenpädagogik
  • alltagsintegrierte Sprachbildung, Mehrsprachigkeit und interkulturelle

Pädagogik

  • Gesundheits- und Ernährungspädagogik
  • Bildungsräume und entwicklungsanregende Raumgestaltung
  • Übergangsgestaltung von Familie zu Krippe, Krippe zu Kita und Kita zur Grundschule/Primarstufe
  • Bildungs- und Erziehungspartnerschaft mit Eltern und die Entwicklung der Kitas zu Familienzentren
  • Zusammenarbeit mit und als multiprofessionelle(n) Teams
  • Einbeziehung externer Unterstützungssysteme, Vernetzung mit Therapeuten sozialen Diensten, Frühförderstellen, frühen Hilfen (Hebammen) etc.

Pädagogischer "Brennpunkt Krippe"

Ein guter inklusiver Start in der Krippe für alle Kinder ab dem ersten Lebensjahr braucht pädagogische Angebote, die auf die Bedürfnisse der Kleinsten abgestimmt sind. Das setzt verbindliche Konzepte der Krippenpädagogik voraus, die vom Kindeswohl ausgehen, an der Entwicklung jedes einzelnen Kinders orientiert sind, angemessene Anforderungen von Anfang an in einer lerngünstigen Umgebung bieten und für pädagogische Fachkräfte und Eltern Grundlage des Handelns sind. Der Übergang von der Familie zur Kita ist eine hochsensible Phase, die gute Konzepte zur Eingewöhnung, Bindung und Beziehung in Schlüsselsituationen, aber auch die gelingende Beziehungsgestaltung mit den Eltern der Krippenkinder voraussetzt. Sie sind fundamental für den Aufbau von Weltvertrauen und Kernkompetenzen der Kleinsten, für die Bedeutung von Sprache als "Schlüssel zur Welt" und der sprachförderlichen Begleitung von frühkindlichen alltagsintegrierten Lernprozessen.

Die Gestaltung von Bildungsräumen, frühe Hilfen und Prävention für Kleinkinder und Familien, Beobachtung und Dokumentation sowie die Professionalität im Team sind weitere wesentliche Faktoren.

Wissenschaftliche Weiterentwicklung und Praxiserfahren in der Krippenpädagogik müssen Eingang in Ausbildung und Weiterqualifizierung an Schulen, Hochschulen und Fortbildungsinstituten finden.

Pädagogischer "Brennpunkt Kindertagespflege"- Ein Paradigmenwechsel?

Die AfB setzt auf ein vielfältiges Betreuungsangebot. Dabei kommt der Kindertagespflege als besonders familiennaher, flexibler und bindungsorientierter Betreuungsform eine wichtige Rolle beim Ausbau des Betreuungssystems für U3-Kinder zu.

Tagesmütter und Tagesväter können - wie auch die Krippe - in kleinen Gruppen auf die individuellen und sozialen Bedürfnisse der Kinder eingehen, Sicherheit und Orientierung geben, neue Handlungs- und Lernmöglichkeiten im Alltag erproben und die soziale, emotionale, kognitive und körperliche Entwicklung jedes Kindes zu eigenverantwortlichen Persönlichkeiten fördern.

Auch in der Tagespflege müssen Kinder nach ihrem individuellen Bedarf gefördert werden. Dies setzt entsprechende Kompetenzen, Ausbildung, Zusatzqualifikationen und Begleitung der Tagesmütter und -väter voraus. Eltern und Kindertagespflegepersonen arbeiten als Erziehungspartner vertrauensvoll zusammen.

Als Qualitätsstandards zur Ausgestaltung der Kindertagespflege und Sicherung des Kindeswohls sind festzuschreiben:

  • ein BetreuerIn-Kind-Schlüssel von 1: 3 bis maximal 1:5 je nach Alter, Gruppenstruktur und Betreuungsdauer
  • nicht mehr als 10 Kinder pro Gruppe in Großtagespflegestellen mit einem Betreuungsschlüssel von 10:2
  • Standards für Räume und Sachausstattung
  • Qualitätsentwicklung in der Ausbildung und der Weiterqualifizierung mit Durchlässigkeit zur Qualifikation zur/m ErzieherIn sowie zur Fach- und Führungskraft. Die Aus- und Weiterbildung orientiert sich an der vom DJI herausgegeben Schrift "Kompetenzorientiertes Qualifizierungshandbuch Kindertagespflege" (Friedrich Verlag 2015).
  • Eine regelmäßige Supervision in den Kindertagespflegestellen ist zu gewährleisten.

Die Unterstützung der Qualitätsentwicklung für die Kindertagespflege durch wissenschaftliche Forschung leistet einen wichtigen Beitrag zum Ausbau der Qualität der Kindertagespflege.

Pädagogischer "Brennpunkt Inklusion": Kita auf dem Weg zur inklusiven Einrichtung

"Jedes Kind ist willkommen" - Inklusion in Kindertageseinrichtungen ist für alle eine große Bereicherung. Sie erfordert eine Pädagogik der Vielfalt, die die unterschiedlichen Bedarfe, Kompetenzen und Interessen jedes Kindes berücksichtigt und ihre individuelle Begleitung in den Mittelpunkt der Arbeit stellt. Inklusion heißt, allen Kindern die Möglichkeit zu geben, sich entsprechend ihres Entwicklungsstandes, ihrer Fähigkeiten und Talente individuell zu entfalten. Jedes Kind soll sich als zugehörig und erfolgreich fühlen. Dafür braucht es ein annehmendes Erziehungs- und Lernklima sowie entwicklungsabgestimmte Anforderungen, die seinen Voraussetzungen und seiner Lernweise entsprechen. So kann es seine Potentiale ausschöpfen und sich selbst motivieren.

Inklusion verlangt eine pädagogische Haltung, die davon ausgeht, dass individuelle Unterschiede Normalität sind. Dabei geht es um die Wahrnehmung der Stärken eines jeden Kindes, die Sensibilisierung für Ausgrenzungsprozesse und die Anbahnung von Selbstständigkeit und Beteiligung. Entsprechend werden in der Entwicklungsdokumentation der individuelle Fortschritt und der Kompetenzzuwachs jedes Kindes im Vergleich zu sich selbst aufgezeigt.

Die Altersmischung, wie sie in den meisten Kindergärten üblich ist, ist eine ausgezeichnete Voraussetzung für inklusives Arbeiten, ebenso wie die multiprofessionelle Zusammensetzung der Teams und zusätzliche Ressourcen an Raum, Zeit und Materialien. Wissenschaftliche Weiterentwicklung und Praxiserfahren in der frühkindlichen Pädagogik müssen auch hier Eingang in Ausbildung und Weiterqualifizierung an Schulen, Hochschulen und Fortbildungsinstituten finden.

Pädagogischer Brennpunkt: Bildungspartnerschaft mit Eltern

Wissenschaftliche Studien belegen, dass mehr als die Hälfte der Bildung und Prägung im Elternhaus und über die Familienbeziehungen stattfindet. Diese können durch außenfamiliäre Einrichtungen allein nicht ausgeglichen werden kann, wenn es nicht zu einer Kooperation zwischen Familien und Einrichtungen frühkindlicher Bildung kommt. Es gilt daher, die Familien als Partner zu gewinnen. Kinder aus armen und/oder bildungsfernen Familien profitieren davon besonders. Die positive Wirkung der institutionellen Förderung in der Kindertagesstätte kann sich nachhaltiger entfalten, wenn diese kontinuierlich im Zusammenspiel mit Familien und anderen kind- und familienbezogenen Unterstützungsdiensten bzw. Unterstützungssystemen erfolgt.

Die AfB setzt sich ein für

  • eine Erweiterung von Kindertageseinrichtungen hin zu Familienzentren (Eltern-Kind-Zentren), die einen koordinierten und niedrigschwelligen Zugang zu frühkindlichen und familiären Förder-, Unterstützungs- und Beratungsangeboten bieten.
  • eine Zusammenarbeit mit frühen Hilfen, z.B. aufsuchender Hebammenarbeit.
  • die Ausweitung der Beteiligung der Eltern und Familien im kontinuierlichen Kontakt mit der Kita.
  • eine intensivere Kooperation der Kitas vor Ort und themenbezogene Vernetzung mit präventiven Hilfen und sozialen Unterstützungssystemen (aufsuchende Sozialarbeit, Jugendhilfe, Kinderschutz, Frühe Hilfen, Ehrenamt Migrationsdienste, LogopädInnen, ÄrztInnen, kommunale und sozialräumliche Netzwerke, Vereine, Verbände etc.).

III. Brennpunkt Finanzierung der frühkindlichen Bildung

Die AfB fordert ein Bundesqualitätsgesetz zur Neuregelung der Finanzierung der Kindertagesbetreuung in Deutschland unter Beteiligung des Bundes.

Für die Finanzierung von Kindertageseinrichtungen und der Kindertagespflege gibt es derzeit unterschiedliche Regelungen, die angepasst werden müssen. Bundesweite Mindeststandards für Ausstattung und Betreuungsschlüssel sind notwendig, um eine vergleichbare Qualität der Kindertageseinrichtungen und eine qualitativ hochwertige Betreuung flächendeckend zu sichern. Hierzu gehören:

  • die Einhaltung der OECD-Empfehlung für eine hochwertige Erziehung und Betreuung, verbunden mit der Erhöhung der Bundesmittel von derzeit 17 Mrd. Euro auf 26 Mrd. Euro (9 Mrd. entsprechen einem Prozent des Bruttoinlandsproduktes).
  • eine dauerhafte Sicherung der anteiligen finanziellen Beteiligung des Bundes beim Krippenausbau und eine zusätzliche dauerhaft gesicherte Beteiligung des Bundes an den Betriebsfolgekosten auf der Grundlage des Bundesgesetzes zum weiteren quantitativen und qualitativen Ausbau von Betreuungsplätzen für Kinder unter 3 Jahren vom 01.01.2015.
  • eine Ausweitung der finanziellen Unterstützung des Bundes zu Ausstattungsinvestitionen, gesundheitlicher Versorgung, Maßnahmen der Inklusion und sprachlichen Bildung sowie der Einrichtung von Ganztagesplätzen in Kippen nach aktuellen Bedarfen und Themenfeldern.
  • die Umwidmung des vom Bundesverfassungsgericht am 23.06.2015 für verfassungswidrig erklärten Bundesbetreuungsgeldes für Eltern, die ihre Kinder zwischen dem 15. und 36. Lebensmonat nicht in einer Krippe betreuen lassen, in den qualitativen Ausbau der Kindertageseinrichtungen.

Die AfB fordert die Einführung bundeseinheitlicher Qualitätsmindeststandards, die sich auf die Strukturqualität als Rahmenbedingungen und die pädagogische Prozessqualität beziehen, und gemeinsamer Rahmenbildungs- und Erziehungspläne über ein Bundesqualitätsgesetz. Gleichzeitig müssen verpflichtende Qualitätssicherungsmaßnahmen eingeführt werden.

Entlastung für Familien - Keine Elternbeiträge für die Kita

Chancengerechtigkeit für alle Familien und die Erhöhung der Bildungsbeteiligung insbesondere von bildungsbenachteiligten, von Armut betroffenen oder/und zugewanderten Familien stehen für die AfB in der frühkindlichen Bildung ganz oben auf der Agenda. Ziel ist eine Familienpolitik, die allen Eltern und Kindern eine Perspektive auf Teilhabe an der Gesellschaft, bezahlbaren Wohnraum, eine Arbeitsstelle und ein selbstbestimmtes Leben ermöglicht.

Der Rechtsanspruch jedes Kindes auf einen Kita-Platz muss jedem Kind ein Platzangebot zu akzeptablen Bedingungen garantieren. Faktoren wie die Erwerbstätigkeit, die Ausbildungssituation oder die finanziellen Möglichkeiten der Eltern dürfen dabei keine Rolle mehr spielen und nicht weiterhin ausschlaggebend dafür sein, ob ein Kind einen Platz in der Kita erhält oder nicht. Jedem Kind steht ein Platz zu, dies ist in der Personal- und Ressourcenentwicklung der Einrichtung zu berücksichtigen.

Die Abschaffung der Elternbeiträge ist ein konsequenter Schritt zu einem kinderfreundlichen Deutschland. Zusammen mit dem Rechtsanspruch auf einen Platz in der Kita ab 3 Jahren und in der Krippen ab 1 Jahr sowie einem verbindlichen Rahmenbildungs- und Erziehungsplan von 0 bis 10 Jahren gibt sie den Eltern Sicherheit und finanzielle Entlastung, unterstützt sie bei der Realisierung des Kinderwunsches und ermöglicht allen Kindern eine gerechtere Teilhabe an Bildungschancen.

Die AfB will Beitragsfreiheit für alle Kinder von der Geburt bis zur Einschulung, verbunden mit einer Kindergartenpflicht ab vier Jahren. Generelle Beitragsfreiheit ist bildungspolitisch und familienpolitisch eine unverzichtbare Errungenschaft. Diese Aufgabe ist von Bund, Ländern und Kommunen gemeinsam partnerschaftlich umzusetzen.

3. Übergänge Kita-Grundschule/Primarstufe

Beim Übergang vom Kindergarten in die Grundschule treffen zwei bisher sehr unterschiedliche Systeme aufeinander: Der Kindergarten arbeitet traditionell erziehungs- und entwicklungsorientiert und geht mit Anforderungen an das Kind individuell differenziert um. In der Grundschule stehen systematisches Lernen und oft allgemeine Lehrplan- und Leistungsorientierungen im Vordergrund. Ein regelmäßiger Austausch zwischen den PädagogInnen der Einrichtungen oder eine verbindliche Kooperation sind selten. Gemeinsam ist beiden das Ziel, Kindern eine passende und erfolgreiche Entwicklung zu gewährleisten, der Blick auf das Kind ist aber oft sehr verschieden.

Soll der Übergang vom Kindergarten in die Schule gelingen, dann muss die Arbeit in sowie zwischen Kindergarten und Schule enger verzahnt werden.

Das erfordert von den PädagogInnen beider Einrichtungen:

  • eine gleiche Haltung zum Kind, zur pädagogischen Arbeit, zum Lernen und zur Inklusion
  • die gleiche Sprache, das gleiche Sprachverständnis
  • den Besuch von gemeinsamen Fortbildungen
  • die Orientierung auf das Kind und sein Wohl - das Kind steht im Mittelpunkt der Arbeit
  • die gegenseitige Anerkennung und Wertschätzung der jeweiligen Professionalität
  • die Bereitschaft zur Kooperation auf partnerschaftlicher Grundlage
  • die Akzeptanz eines gemeinsamen Rahmenplans für Bildung und Erziehung von 0 bis (mindestens) 10 Jahren.
  • die Abstimmung der Bildungsarbeit
  • Abstimmung von Ganztagsangeboten und pädagogischen Inhalten im Rahmen der Rhythmisierung
  • die Entwicklung von verbindlichen Konzepten
  • gemeinsame Angebote bei Veranstaltungen und Angeboten außerhalb der Kitas und Schulen (Ausflüge, Nachmittagsveranstaltungen, Besuch kultureller und sportlicher Veranstaltungen etc.)
  • die verbindliche, gemeinsame Gestaltung des Übergangs

Konkret ist diese Zusammenarbeit nicht immer als Kooperation zwischen zwei Einrichtungen gestaltbar, da nicht wenige Grundschulen Kinder aus mehreren Kitas aufnehmen und es keinen geregelten Übergang aus dem einen Kindergarten in die eine Grundschule gibt.

Deshalb ist eine stark kindbezogene Kooperation nötig, die sich am gleichen pädagogischen Modell bzw. Entwicklungsmodell orientiert und je individuell die nötigen Informationen austauscht. Kindergärten und Grundschulen müssen unabhängig von der konkreten Einrichtung einen Bildungs- und Entwicklungsprozess gestalten, der beim Wechsel der Einrichtung nicht abrupt endet und neu beginnt und der vor allem jedes Kind dort "abholt", wo es gerade steht. Letzteres erfordert auch die gemeinsame Verständigung über jedes einzelne Kind unter zwingender Einbindung der Eltern als wesentlich beteiligte Bildungsinstitution. Eine solche Kooperation der Einrichtungen bzw. besser der beteiligten PädagogInnen beider Einrichtungen und der Eltern ist zu fordern sowie politisch und administrativ zu unterstützen. Die AfB fordert daher die Berücksichtigung und Ausweisung von Zeit für die diese Kooperationsarbeit in die Arbeitszeit(-modelle) der MitarbeiterInnen.

Dokumentationen über die Entwicklung eines Kindes bauen aufeinander auf und müssen von der Kita in die Schule mit und dann weitergeführt werden. Datenschutzregelungen sind so zu gestalten, dass sie diese nötige Kontinuität nicht verhindern.

Übergänge sind für Kinder eine aufregende, spannende und hoch erwartete, aber auch verunsichernde Zeit. Eine fremde Schule, die das Kind nur von außen kennt, und in der vermeintlich "der Ernst des Lebens droht", erzeugt auch Ängste. Aber sie sind auch immer Chancen, sich für neue Anforderungen zu öffnen, neue Wege zu gehen und daran zu wachsen. Bei einem gut gestalteten Übergang finden sich Elemente des Kindergartenalltags im Schulalltag wieder, z. B. der Morgenkreis. Auch das systematischere Lernen in der Grundschule kann und soll aus dem Kindergarten bekannte Elemente enthalten, wie z.B. Spielen, Singen, Basteln, Erkunden und Entdecken, Übungen zur phonologische Bewusstheit, Vorlesen und Erzählen, Mengen vergleichen und sortieren, Muster legen, symmetrisches Bauen etc.

Um die Kontinuität im Entwicklungsweg der Kinder zu gewährleisten und unnötige Wiederholungen zu vermeiden, sind gemeinsame Abstimmungen und Aktivitäten nötig. Dies kann geschehen durch gemeinsame Fortbildungen und Veranstaltungen wie Feste, gegenseitige Besuche, gemeinsame Projekte oder Lernparcours zum gemeinsamen Lernen etc.

Damit die Vernetzung beider Bildungsphasen gelingen kann, bedarf es besonders des gegenseitigen Verständnisses. Dieses muss schon in der Ausbildung beginnen, indem nicht nur auf ein gemeinsames Bild vom Kind und seiner Entwicklung zurückgegriffen wird, sondern auch in verpflichtenden Praktika die jeweils andere Bildungsinstitution kennengelernt wird. Eine solche Verknüpfung der Perspektiven auf das Kind lässt sich auf Dauer am besten mit (teil)gemeinsamen Studiengängen von Kindheits- und GrundschulpädagogInnen erreichen, wie sie im Ausland auch schon existieren.

Während in der Schule mit der Darstellung der Lernentwicklung eine Beurteilung (ohne oder mit Zensuren) verbunden ist, wird im Kindergarten die Sicht der Beteiligten auf das Lernen und die Entwicklung des Kindes verglichen. Für eine kontinuierliche Entwicklungsbeschreibung eines jungen Menschen über die Grenzen von Einrichtungen hinaus ist eine Abstimmung über die Form der Dokumentation - wie z.B. das Portfolio und das dialogische PädagogInnen-(Eltern)-Kind-Gespräch - Voraussetzung.

Die AfB fordert:

  • Bereitstellung von Stunden für Kooperation (insbesondere gemeinsame Entwicklungsgespräche beim Übergang)
  • Verschränkung der Ausbildung der Professionen für Kita und Schule sowie gemeinsame Fort- und Weiterbildungen der PädagogInnen
  • fachliche Unterstützung für die Zusammenarbeit vor Ort auf der Grundlage gemeinsamer Qualitätsstandards für beide Institutionen beim Übergang
  • Überarbeitung von Datenschutzrichtlinien, damit eine gemeinsame Gestaltung des Übergangs möglich wird.

Vorhandene Erfahrungen und erfolgreiche bestehende Projekte in den Bundesländern sollen bei der Zusammenarbeit zwischen dem Kita- und Grundschulbereich gesammelt und verbreitet und somit genutzt werden.

4. Grundschule (Primarstufe)

Für einen erfolgreichen Übergang ist es auch nötig, dass die Institutionen allgemein und die Einrichtungen konkret anschlussfähig sind. Hier gibt es aktuell - sicher von Bundesland zu Bundesland verschiedenen - Anpassungsbedarf für die Grundschulen:

  • Die Teams sind noch oft monoprofessionell zusammengesetzt und auf Unterricht fokussiert. Auch Grundschullehrkräfte unterliegen systembedingt zum Teil der fatalen Verwechslung von Erfüllung der Lehrpläne und je individueller Erfüllung des Bildungsauftrages. Sie verlieren so häufig die SchülerInnen aus dem Blick bzw. produzieren Verlierer in der Klasse.
  • Nach wie vor ist der Umgang mit Heterogenität für viele Schulen und PädagogInnen ein mentales und praktisches Problem:
  • mental, weil sie sich bemühen, bestehende Entwicklungsunterschiede einzuebnen, obwohl doch logisch ist, dass sie sich in der Regel aufgrund der Ursachen, die zu den Unterschieden bisher führten, mit der Entwicklung vergrößern müssen.
  • praktisch, weil sie oft noch allein in einer Lerngruppe arbeiten müssen und damit bestimmten SchülerInnen einfach nicht gerecht werden können bzw. einzelne SchülerInnen den Lernprozess für alle nachhaltig stören können.
  • Der Schulträger hat oft wenig Einfluss auf die Arbeit der Schule und diese selbst hat auch nur begrenzten Zugriff auf die Gestaltung der pädagogischen Prozesse. So steht es in einigen Bundesländern den Schulen nach wie vor nicht frei, jahrgangsgemischte Lerngruppen einzurichten. Immer noch dominieren Strukturstandards die Grundschule und überdecken die eigentlichen und ausreichenden Qualitätsstandards.
  • Grundschulen arbeiten nur selten als echte Ganztagsschulen, sondern teilen sich die Zeit mit Horten, ohne dass sie mit diesen eng zusammenarbeiten.

Mit dieser Auflistung der größten aktuellen Probleme der Grundschule in Deutschland sind auch schon die Aufgaben und Herausforderungen benannt, für welche sich die AfB hinsichtlich der Grundschulen (Primarstufe) einsetzt:

Verantwortung an die (Grund-)Schule

Qualitätsstandards können und müssen Strukturstandards für die Schulen ersetzen, denn es ist ein Irrglaube, dass die gleichen Strukturen für alle SchülerInnen gleich gut wären und den optimalen Lernerfolg sichern. Leidtragende sind die Kinder, die ihr Potential nicht entfalten können und auf der Strecke bleiben. Leidtragende sind die PädagogInnen, die sich aufreiben und eigentlich gegen Strukturen arbeiten müssen. Wir haben eine heterogene Schülerschaft, daran kommt mittlerweile niemand mehr vorbei und dieses anzuerkennen ist in einer Zeit nach der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention mit ihrer Forderung eines inklusiven Schulsystems eine Selbstverständlichkeit. Dies erfordert heterogene Prozesse und Strukturen sowie Standards für die Qualität der Prozesse, der Einrichtung und der Bildungserträge. Ein wichtiger Standard ist der des Controllings dieser Prozesse: punktuelle, am Ende kumulierte und für den Lernprozess zumeist folgenlose Leistungsrückmeldungen am abstrakten jahrgangsbezogenen Maßstab müssen ersetzt werden durch eine mehr kontinuierliche, auf den individuellen Entwicklungsfortschritt bezogene und die folgenden Lernprozesse orientierende Informationsgewinnung. Diese kann zu singulären Zeiten (z. B. Schuljahresende) dann durchaus auch auf das abstrakte Anforderungsniveau an den Jahrgang bezogen werden und, bei entsprechender differenzierter Untersetzung, in einer nichtkumulierten Darstellung zusammengefasst werden. Eine pauschale Leistungsrückmeldung über kumulierte Durchschnittsnoten lehnen wir also ab.

Auch die Verweildauer der Lernenden in der Grundschule oder einzelner ihrer Phasen (manche Länder unterscheiden eine Schuleingangs- und eine Qualifizierungs- oder Kompetenzphase) gehört in die Verantwortung der Schule, weil sie von vielen Faktoren abhängt. Da geht es nicht nur um die absolute Zeit, sondern auch darum, in welchen Lerngruppen diese verbracht wird.

In dem Maße, wie die Schule verantwortlichen Zugriff auf die Gestaltung der Lern-, Entwicklungs- und Lebensprozesse erhält, kann sie diese auch mit Eltern und Schulträger teilen und ihnen gegenüber wahrnehmen. Zugleich muss sie aber auch ein in bestimmten Maße rechtsfähige Partnerin für externe PartnerInnen werden. Was für die Kitas gilt, gilt auch für die Grundschulen: Eltern und andere an der Bildung und Entwicklung der anvertrauten Kinder Beteiligte müssen mit in die Schule geholt werden.

Eine besondere Rolle spielt hier der Hort, der als Einrichtung eigentlich ein Auslaufmodell ist, aber ob seiner anderen Finanzierung zusätzliche Ressourcen in die Grundschule als Ganztagsschule lenkt. Die AfB fordert aus guten und vielfältigen Gründen die flächendeckende Einführung eines rhythmisierten Ganztagsschulangebotes und kein Nebenher von Hort und Grundschule. Die Lern- und Freizeitangebote müssen in der Schule organsiert sein, die die guten Inhalte der Horte in ihre Arbeit integriert. Das ist auch ein großer Schritt in Richtung multiprofessionelle Teams sowie eine reale und auch finanziell realistische Möglichkeit, eine/n 2. Pädagogin/en in den Lerngruppen zu haben.

Die AfB fordert also, (Grund)Schulen in die Lage zu versetzen, sehr viel mehr Verantwortung als bislang wahrnehmen zu können und zu müssen. Eine wichtige Voraussetzung dafür ist, dass Strukturen als Maß der Ressourcenzuweisung durch andere Maße ersetzt werden, so dass Schulen mit dieser Verantwortung nicht allein gelassen werden.

Multiprofessionelle Teams und Teamteaching

Zur Bewältigung von Heterogenität und Inklusion reicht der gute Wille und auch die Fachkompetenz der Lehrkraft alleine nicht aus. Es braucht wie in der Kita multiprofessionelle Teams und generell die/den 2. Pädagogin/en in der Lerngruppe, zumindest im Kernbereich. FörderpädagogInnen, SozialpädagogInnen aber auch administrativ geschultes Personal (Schulleitung, Schulverwaltung, Kontaktpersonen für Ämter etc.) muss an jeder Schule verfügbar und ins Team integriert sein.

Ebenso wie in der Kita kann auch der grundschulische Bildungsauftrag nur in Kooperation mit den Eltern erfüllt werden. Dies braucht Ressourcen, die der Schule zur Verfügung stehen müssen, nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ. Letzteres meint nicht nur, dass alle nötigen Professionen an der Schule vorhanden sein müssen, sondern dass diese auch für die Schule verlässlich mit konkreten Personen besetzt sind. Die Schule muss einen Anspruch auf ein stabiles Kernteam haben. Sie muss auch entscheiden können, welche Professionen sie im Rahmen ihres Personalkontingentes an der Schule benötigt. Schließlich muss die Schulleitung die nötigen personalrechtlichen Kompetenzen haben, um aus dem Personal ein Team wachsen zu lassen. Dies ist nicht trivial, wenn z.B. die Lehrkräfte und die Schulleitung beim Land beschäftigt sind, das pädagogische Personal beim Schulträger oder einem anderen Träger, die/der SozialarbeiterIn beim Landkreis etc. Die AfB fordert dazu die Einrichtung eines Personalpools, der von den Ländern und Kommunen sowie dem Bund getragen wird.

Unterstützungssysteme und Ressourcen

Bei der Bemessung und Zuweisung der vor allem personellen Ressourcen müssen die Schulen individuell betrachtet und vor allem die Zusammensetzung und damit die Bedarfe der Schülerschaft und örtliche Besonderheiten berücksichtigt werden. Dies geht, wie andere Schulsysteme international zeigen, am besten mit Zuweisungen, die sich an gewichteten Schülerzahlen orientieren, welche die spezifischen Förderbedarfe der SchülerInnen berücksichtigen. Insbesondere ist damit zum einen der sozio-ökonomische Hintergrund des Elternhauses und der individuelle besondere Förderbedarf bei geistigen oder körperlichen Besonderheiten oder Sinnesbeeinträchtigungen gemeint. Mit diesen Zuweisungen muss für jede Grundschule gesichert sein, dass sie bei normaler Gruppenbildung, die nach unserem Modell ohne Einschränkungen der Schule obliegt, die nötigen Ressourcen für die/den 2. Pädagogin/en und je nach dem sozio-ökonomischen Hintergrund des Elternhauses für SozialpädagogInnen/-arbeiterInnen etc. und je nach besonderem Förderbedarf auch für FörderpädagogInnen hat.

Neben diesen personellen Ressourcen muss die Schule verlässlichen Zugriff auf Schulentwicklungsberatung/-begleitung haben, wenn sie diese benötigt oder es der Schulaufsicht nötig scheint. Anschließend müssen die nötigen Ressourcen für die Fort- und Weiterbildung des Teams bereitstehen.

Brennpunkt "Wohnortnahe Grundschule"

Wir wollen, dass Grundschulen für die Heranwachsenden einen attraktiven Lebensraum darstellen, der unter Einsatz von wenig Lebenszeit erreichbar ist. Mit den jetzigen Modellen der strukturgebundenen Ressourcenzuweisung und den beschränkten Gestaltungszugriffen der Schulen können Grundschulen in siedlungsschwachen Räumen nur schwer die nötigen Qualitätsstandards halten, werden sehr klein und sehr teuer. Im Gegenzug wächst damit für die Schulverwaltung der Druck, die Spielräume der Klassenbildung dort, wo es geht, nach oben auszureizen. Vor allem werden in den Ballungs- und Verdichtungsräumen sowie in zentralen Orten im ländlichen Raum die Grundschul-Klassen daher in der Regel sehr groß eingerichtet. Eine zu kleine Schule läuft Gefahr sehr störanfällig zu sein, z. B. bei Krankheit einer Lehrkraft. Dann kann kein multiprofessionelles Team mehr gebildet werden und die Qualität des Fachunterrichtes ist kaum auf hohem Niveau zu halten. Eine zu große oder zu volle Schule hingegen ist oft ein schwieriger Sozialraum (wenn sie sich intern nicht in kleinere Räume gliedert) und präsentiert ohne 2. Pädagogin/en signifikant schlechtere Lernbedingungen. Zumindest der letzte Punkt könnte mit der von uns vorgeschlagenen schüler- und bedarfsorientierten Zuweisung gelöst werden. Sehr kleine ländliche Schulen wären zumindest nicht mehr so teuer, aber ggf. störanfälliger. Wir sehen eine Lösung dieses Problems nur, indem zu kleine Schulstandorte nicht mehr als selbständige Schule betrieben werden, wohl aber als Außenstelle einer anderen Schule oder als Teil eines Schulverbundes. Damit wäre eine wohnortnahe Beschulung auch im ländlichen Raum auch bei anhaltendem Geburtenrückgang möglich. Entscheidungen über Schulstandorte könnten dann nach anderen Kriterien erfolgen, die z. B. nach den Lernbedingungen, Unterrichtskonzepten oder dem Sozialraum fragen.

Ein anderes Problem stellen die Schulbezirke dar, wie sie für Grundschulen fast überall landesrechtlich geregelt sind. Sie sollen neben der Erfassung der schulpflichtigen Kinder sichern, dass es zu keiner sozialen Entmischung der Schülerschaft im Grundschulbereich kommt und die Schulträger verlässlich planen können. Allerdings wird dieses Prinzip längst unterlaufen: Freie Grundschulen sind nicht an Schulbezirke gebunden und können es nicht sein, solange sie Schulgeld erheben müssen/können. Ausnahmen sind auf Antrag mit Begründung generell möglich. Die Praxis zeigt, dass ein starres Festhalten an Schulbezirken zur sozialen Entmischung des Schulbezirkes als Quartier führen bzw. solche Trends befeuern kann. Es ist auch zu bedenken, ob die Bindung an einen Schulbezirk Eltern- und perspektivisch Kinderrechte unzulässig einschränkt. Denn schließlich birgt der Schulbezirk bei der jetzigen Verfasstheit der Schulen auch das Risiko, dass Eltern und damit deren Kinder keine legale Wahl - außer einem Wohnortwechsel - gegen eine Schule haben, die sich, obwohl sich im gesetzlichen Rahmen bewegend, nicht auf die Kinder einlassen will oder qualitativ nicht so gut arbeitet. Unterlaufen wird der Schulbezirk auch überall dort, wo mehreren Schulen ein Schulbezirk zugewiesen ist. Insofern befürwortet die AfB im Zuge der Verantwortungsübertragung auf die Schulen eine Abschaffung der Schulbezirke für Grundschulen. Vielmehr können durch bedarfsorientierte Zuweisungen Schulen in schwierigen Quartieren nicht nur mit diesen Schwierigkeiten umgehen, sondern sogar attraktiv werden. Gerade die sogenannten Brennpunktschulen müssen durch ihre Ausstattung, Ressourcen und Personalschlüssel sowie gute Konzepte und Angebote zu Magneten für Kinder aus allen Stadtteilen werden.

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